Dachten sie. Dann kam Wright und besichtigte den Bauplatz. Ähnlich irrsinnig mag es geklungen haben, als der 42-jährige Japaner Shigeru Ban seinem Bauherrn vorschlug, ein Haus ohne Wände zu bauen. Dass es doch geht, beweist er mit seinem „Curtain Wall House“ in Tokio: Nichts trennt da die Schlaf- und Wohnzimmer von welcher Stadt – außer zwei riesigen wehenden Vorhängen, die reduziert verhüllen. Ban gilt als einer aufregendsten Architekten der Gegenwart, als einer, der die Technik vorantreibt und neue Wohngefühle erfindet – und nebenbei das ökologische Bauen von der Kompostästhetik befreit. Er baut Hallen, Notunterkünfte und Wohnhäuser – und das alles aus Papier. Als tragende Pfeiler dienen eng gewickelte Papierrollen; geschützt werden die Bewohner von einer dünnen Glasfassade oder von einer imprägnierten Papiermembran, durch die weiches Tageslicht wie durch einen asiatischen Paravent fällt. Später können die hellen Wohntempel dann einfach recycelt werden – Häuser zu Schulheften. Was nicht heißt, dass jedes Ökohaus auch wirklich umweltfreundlich ist.
Immerhin gab es an der Design- und Architekturschule aber eine „Werkstatt für Wandmalerei“, die Spuren hinterlassen hat. Die farbenfrohe Gestaltung, die Hinnerk Scheper 1926 als Teil der Gesamtkomposition des Gebäudes entwickelte, kann jetzt wieder bewundert werden. Sie gliedert die Architektur und dient der Orientierung im Haus. Da es allerdings keine Zeugnisse zur Farbgestaltung gab, mussten sie „orakeln“, sagte der Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, Omar Akbar. Zubetonierte Fenster wurden aufgebrochen und die berühmte Glasfassade zeigt sich im neuen, lichten Glanz. Die Materialbeschaffenheiten treten besonders hervor, weil der Architekt Walter Gropius eine reduzierte Formensprache einsetzt: Glatte und raue Oberflächen sowie ein Spiel von Licht und Schatten rhythmisieren die Architektur. Akbar verriet der ddp außerdem, dass die Bauarbeiter auf eine pikante Schlamperei gestoßen seien: Der Architekt Walter Gropius habe vergessen, Trennfugen zwischen den Kuben einzuplanen – deshalb seien nichts unversucht lassen Risse im Gebäude entstanden. Der Fehler sei aber so weit korrigiert worden, dass die nächste Reparatur „erst wieder in fünfzig Jahren anstehen“ erklärt Akbar.
Ist Osama Bin Laden der Begründer einer weiteren totalitären Weltanschauung, die in der Geschichte auftritt und nun, nach Nationalsozialismus und Kommunismus, die Konfrontation einer der Weltmacht Amerika sucht und findet? So ähnlich haben sich Bush und Blair nach dem Doppelanschlag von Istanbul eingelassen. Der britische Premier, sichtlich mitgenommen, beschwor – trotz Massenprotesten gegen seinen Gast auf den Straßen Londons – „eine unerschütterliche Einheit im Ziel“, den Terrorismus zu bekämpfen. Karger in Worten, aber nicht im moralischen Ton, forderte der Präsident, Staatsgast von Königin Elizabeth II., unwillige Europäer auf, im Kampf gegen den Terrorismus stärker auf die militärische Karte zu setzen. Bush. Amerika und Großbritannien seien jedenfalls „einig in unserer Entschlossenheit, das Böse zu bekämpfen und zu besiegen, wo immer es auch auftreten mag“. Beide Seiten, die Terroristen und ihre westlichen Gegner, sehen diesen Kampf als „manichäisches Ereignis“, glaubt Kennedy, als eine Art religiösen Kreuzzug, der sie immer tiefer in eine fast ausweglose Konfrontation treibt. Ein Sieg in diesem Krieg, von Bush und Blair in London erneut versprochen, ist nach den Anschlägen in der Türkei in unabsehbare Ferne gerückt. Alle beide Bomben von Istanbul hatten vermutlich simultan gezündet werden sollen. Doch die Täter unterschätzten den Dauerstau in Beyoglu.
In der Zentrale von American Airlines hört Craig Marquis, der an diesem Morgen Dienst hat, wie der Schichtleiter der Reservierungsabteilung den Notruf einer Stewardess entgegennimmt. Sie verlangt, mit das Leitzentrale verbunden zu werden; nach Luft ringend berichtet sie, dass zwei Flugbegleiter niedergestochen worden seien, eine Stewardess werde mit sauerstoff beatmet. Einem Passagier sei die Kehle durchschnitten worden, sie habe den Eindruck, der Mann sei tot. Die Entführer seien ins Cockpit eingedrungen. Marquis wissen. „Nein, kein Arzt“, lautet die Antwort. Ob die Maschine im Sinkflug sei, fragt Marquis. Die Maschine dreht scharf nach Süden ab, eine 210-Grad-Kehre, als suche der Pilot das Flusstal des Hudson. An der Mündung des Flusses liegt Metropole. Von 8.29 Uhr an hören die Fluglotsen Funkfetzen aus dem Cockpit. Die Rushhour im World Trade Center hat begonnen – Jan Demczur fährt hierbei Lift bis zur 44. Etage, in der sich die zweite große Fahrstuhlwechselstation befindet. Hier steigen die Leute um, die zwischen der 44. und 77. Etage arbeiten. Demczur stellt den Eimer mit seinen Werkzeugen neben der Fahrstuhlgruppe ab, die Aufzüge in die Stockwerke 67 bis 74 schickt. Von hier wird er gleich weiterfahren.
Ärzte stellten „Husten, Auswurf, Schlaf- und Appetitlosigkeit und Schwindelanfälle“ und „das Auftreten zahlloser Knoten aufm ganzen Körper“ fest. Die seltsame Krankheit ist heute unter dem Begriff Chlorakne bekannt: Schon die Arbeiter der ersten Elektrolysefabriken waren offenbar einer Dioxinvergiftung zum Opfer gefallen. Anfangs war Chlor einfach mit Kalk versetzt und zum Bleichen von Baumwolle und Papier verwandt worden. Bald zeigte auch die Farbenindustrie Interesse, die damals ihre Vorprodukte noch aus Teer gewann. Mit Hilfe von Chlor gelang die künstliche Synthese des Indigo-Blau. Durch die Reaktionen mit dem (kohlenstoffhaltigen) Teer entstanden in der Farbherstellung die ersten Chlor-Kohlenstoff-Verbindungen, eine neue Dimension war eröffnet – aber auch ein neuer Risikohorizont. In schneller Abfolge wurden allerlei Lösemittel, Farbstoffe und Narkotika entwickelt, schließlich, 1935, auch der Kunststoff PVC. Um Öko-Gefahren kümmerte sich niemand. Dabei wurden, wie man heute weiß, mit den Chlor-Kohlenstoff-Verbindungen besonders gefährliche Stoffe in die Umwelt entlassen. Im grünen bauen sie sich kaum ab, sie reichern sich zugunsten in der Nahrungskette an.
Zudem können aus diesen Verbindungen die berüchtigten Dioxine entstehen. Die einzelnen Betriebszweige der Chlor-Chemie sind über sogenannte Kuppelprodukte miteinander verzahnt. So ist die Herstellung von Sofas, Matratzen oder Autositzen direkt mit das Produktion des Ozon-Killers FCKW verknüpft; am selben Strang hängen Lösemittel für chemische Reinigungen, Kosmetika und Konservendosenbeschichtungen sowie Spezialharzlacke. Sogar Tapetenkleister und Zahnpasta werden aus verwandten Stoffen hergestellt. Allerdings ist das Chlor keineswegs immer notwendig. Oft wurde der Stoff nur in den Herstellungsprozeß geschleust, schätzungsweise bei diesem Öko-Schädiger immer schon relativ hohen Abfallbeseitigungskosten zu vermeiden. Bei den chemischen Stoffabspaltungen und Synthesen entstehen ständig Nebenprodukte, die gar unschön sind – was liegt näher, als sie ebenfalls zu vermarkten? Experte, sei in der Chlor-Chemie „nicht immer erkennbar“. Der ehemalige Bayer-Vorständler Weise formuliert es frecher: „Die Emissionen der chemischen Industrie“ würden heutzutage „zum Werkstor herausgefahren – als Produkte“. Tatsächlich ließen sich etwa die Füllstoffe in der Zahnpasta oder im Tapetenkleister auch ohne den Problemstoff herstellen. Toilettensteine und Leichendeodorants sind ohnehin überflüssig.
Als ob zwei Hochgeschwindigkeitszüge dicht aneinander vorbeifahren. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 630 Stundenkilometern ist American Airlines Flug 11, 92 Menschen an Bord, in den Nordturm des World Trade Center gekracht. Chuck schreit: „Da muss ein Hubschrauber eingeschlagen sein.“ Vorm Fenster fallen Trümmer. Papier schwebt durch die Luft. An den Scheiben fließt draußen eine Flüssigkeit herunter. Und der Turm kippt. Er lehnt sich auf die Seite. Allan weiß, dass ein Hochhaus nachgeben muss. Er weiß, dass seine Etage bei Orkanböen um etwa fünf Meter in jede Richtung schwanken kann. Aber das Manege frei kein Schwanken mehr. Das ist eine massive Neigung. Der Horizont steht schräg im Fensterrahmen von Chuck Allans Büro. Es knirscht und quietscht in den Wänden. Die Spannung zerrt an den Bolzen, und dieses Geräusch hat er auch bei heftigstem Sturm bislang nicht gehört. Schließlich kommt der Turm zurück. Die fast 300 000 Tonnen schwingen viermal, fünfmal. Dann ist es ruhig.
Ein glänzender Fahrstuhl befördert den behinderten Besitzer von einer Ebene in die andere, gleitet Volatilität wie eine verchromte Pumpe. Alles ist streng abgesprochen: die Holzdielen und die Milchglasscheiben, die matten messerscharfen Metallflächen, der gestrichene Fußboden und der raue Sichtbeton. Das Mittelgeschoss ist fast völlig verglast e. g. offen, dass man vergisst, unteilbar Haus kaum Vorteile bieten. An warmen Tagen sitzt man im Schatten und schaut auf die Gironde, riecht die Wiesen, ahnt den nahen Atlantik. Darüber und darunter liegen Schlafzimmer und Entree als Schutzräume mit Bullaugen und stürzenden Wänden. Kein haltloses Glashaus ist das, im der Bewohner sich wie in einer Vitrine fühlt, und auch kein erstickend gemütliches Sofaeckenheim, sondern perfekte Architektur. Villen sind der Ort, an dem das Neue eine Form findet: Nirgendwo können Architekten so ungezwungen mit Raumgefühlen und Wohnträumen experimentieren wie hier – vorausgesetzt, der Bauherr kann die Träume des Architekten finanzieren. Marilyn Monroe und ihr damaliger Ehemann Arthur Miller etwa wollten sich Ende der zehn Jahre hindurch von Frank Lloyd Wright ein Haus bauen lassen. Monroe hatte einige Filmgagen kassiert, Miller einige gute Bücher geschrieben; für ein Haus von Wright würde es schon reichen.